24 Februar 2010

Zen und Sinnlichkeit

Als ich gerade anfing, mich Anno 1999-2000 mit Spiritualität zu beschäftigen, fesselte mich das Buch "Tao, Zen und schöpferische Kraft" aus Diederichs gelber Reihe (die Reihe ist empfehlenswert, wenn man Niveauvolleres zum Thema Spiritualität sucht!).

Zwischenzeitlich habe ich mich auch mal ein wenig mit dem (westlichen) Tantrismus beschäftigt und immer wieder mit dem Buddhismus, auch zum Taoismus und vor allem Zen(-Buddhismus) komme ich immer wieder zurück. Was ich hier schreibe, stellt natürlich nur dar, wie ich das als Laiein (Laiin?!) sehe, die weder Zazen praktiziert noch sich dauerhaft auf das Thema eingelassen hat.

Ich las unter anderem im letzten Jahr (erneut):

Zen denken
von Radcliff & Radcliff

Sehen, wie die Dinge sind: Der Achtfältige Pfad des Buddha von Sangharakshita

Meditation und Achtsamkeit. Schlüssel zu innerem Vertrauen von Rigdzin Shikpo

Zen, weil wir Menschen sind von Fumon S. Nakagawa

Einfach Zen von Charlotte J. Beck

Und natürlich immer mal wieder das Tao Te King in verschiedenen Übersetzungen.

Beim Zen gibt es vieles, was mich anzieht; die Logik, die Leere von irgendwelchen jenseitigen Heilsversprechen, richtenden Göttern, das Einfach-Sein als Ziel. Ich entdecke in den Büchern manches, das ich von mir kenne - eine grundlegende Nervosität und Angst aus dem unterschwelligen Bewusstsein, nie sicher sein zu können, das ständige innere Mosern und Grübeln (und sich Leid tun), wenn mal etwas nicht so läuft, wie ich will (besser wird es dadurch natürlich nicht!). Überhaupt - wie oft ich mich ertappe, beim etwas tun etwas ganz anderes zu denken! Ich bin oft im Kopf nicht dort, wo ich grade handle, und eine innere Beobachterin merkt das und registriert das - immerhin.

Andererseits - auch im Zen gibt mal wieder die Oberen, Weisen, Guruhaften...und es erscheint mir zudem sehr lustfeindlich (v.a. in dem Buch von Beck); die Welt ist schlecht, wie kann man sie besser ertragen? Durch das Gewöhnen an Schmerz bei endlosen Mediationssitzungen...

In-der-Welt-sein wird gepredigt, und doch scheinen mir nicht nur in den Klöstern Tendenzen zur Abschottung von der Welt normal zu sein. Ich sah eine kurze TV-Doku über ein Zen-Kloster im Odenwald und dachte mir - mei, die sehen so dünn und fast schon verhärmt aus mit ihren kahlgeschorenene Köpfen und ihrem kleinen Schüsselchen Reis.

Muss man so leben, um "richtig" zu leben?

In einem der Bücher - "Einfach Zen" von Beck - stieß es mir ein bisschen auf, wie die Autorin immer wieder mildes Mitleid ausdrückt gegenüber jenen, die noch nicht so weit sind, dauernd Zazen zu üben. Weil - nur mit Sitzmediation kommt man weiter, finito.

So spannend ich die Inhalte finde, auch die unbequemen Ansprüche an sich selbst - mit Sitzen und Vollaskese kann ich wenig anfangen. Da fand ich das Buch "Zen, weil wir Menschen sind" interessant, wo der japanischstämmige Autor meint, wir im Westen seien viel zu brav, machten brav das, was die Lehrer aus dem Osten sagen und was "in den Schriften" steht.

Er meint dagegen: "Die Worte Buddhas? Alles Klopapier!" Nur was man selbst entdeckt, ist das Wahre.

Eigentlich komisch, dass Zen und Tantra auf den ersten Blick so unterschiedlich sind wie Vulkanier und Betasoiden, aber das Ziel das gleiche ist - Leben im Augenblick, die Dinge sehen und erleben, wie sie sind, und das Erleben von schönen wie schmerzvollen Dingen gleichermaßen als freudig(Zen) bzw. ekstatisch (Tantra) anzustreben...

Auf jeden Fall immer wieder wichtige Denkanstöße für mich. Gerade beim Umgang mit meiner Mutter merke ich, wie viel besser es läuft, wenn ich einfach "Tue, was zu tun ist", statt das ganze mit einem Wust von "Ich will aber nicht! Warum ich! Oh, ich armes Opfer!" usw. usw. umwölke.

***

Das übersetze ich später irgendwann, bin grade zu faul und habe meiner Mutter versprochen, mit ihr spazieren zu gehen.

5 Kommentare:

Diana Kennedy hat gesagt…

Dass in den unterschiedlichen, buddhistischen Pfaden sehr VIEL Weisheit steckt, davon bin auch ich überzeugt und man kann sehr viel gewinnbringendes davon für sich entdecken. In seiner Grundstruktur ist mir das Konzept aber auch zu negativ, es wird zu sehr auf das Leid des Seins eingegangen (und als einzige Alternative daher die Loslösung vom Sein als anzustrebendes Ziel) ignorierend, dass das Sein eben nicht nur Leid, sondern auch Liebe, Freude und Kreativität beinhaltet. Genügsamkeit, Entrücktheit - all das kann vorallem in schweren Zeiten hilfreich sein, aber es sollte nicht so weit gehen, dass man diesen Funken nicht mehr in sich spürt, diese Leidenschaft, die, der Name sagt es schon, zwar auch Leiden in sich trägt, aber eben auch viel Positives.

Hanna hat gesagt…

Hi Bodecea,

hat Du mal von Hesse "Siddharta" gelesen, daran mußte ich schmunzelnd denken als ich in Deinem Blog das da las:
"Er meint dagegen: "Die Worte Buddhas? Alles Klopapier!" Nur was
man selbst entdeckt, ist das Wahre."

Weil janz jenau - ab einem bestimmten Punkt endet jede Lehre und beginnt die eigene Erfahrung :-) - seh ich ganz genau so.

und für Dich und Deine Mutter - das Gedicht von Tagore:

Ich schlief und träumte
das Leben wäre Freude
ich erwachte und sah
das Leben war Pflicht
ich handelte und siehe
die Pflicht war Freude.



Ich wünsch Dir viel Kraft für das Leben mit Deiner Mutter,
Hanna

Feronia hat gesagt…

I think there's a lot in it that's very interesting but sometimes I wonder about an idea like "life is about suffering". Monica Sjoo in The Great Cosmic Mother also suggests that the desire to disengage from the world and seek a sort of 'blankness' in Nirvana is perhaps concerning too for really dealing with and enjoying life. But perhaps these are misinterpretations?

Bodecea hat gesagt…

Hallo ihr,

ja, dieser Leidaspekt ist mir auch suspekt - obwohl ich den auch immer wieder relativiert finde, à la - eigentlich ist das Leben wunderbar, wie es ist, das Leid kommt nur aus dem Kopp, den wir uns drum machen, und den Dramen, die wir um unser Leben inszenieren.

Das kann ich wiederum gut nachvollziehen, denn bis vor ein paar Jahren war ich stolz (!) drauf, dass das meiste, was mir in meinem Leben Schmerz bereitet hatte, mehr oder weniger von mir selbst verbockt war. Seht her, ich habe sogar die Kontrolle über mein Leiden!

Und natürlich muss man auch die andere Zeiten und Kulturen einbeziehen; vor 1000, 2000 Jahren war das alltägliche Leben hier genauso wie in China oder Japan viel leidvoller. Man denke nur an das alltägliche Ausmaß von Hunger, Gewalt, Kindersterblichkeit, Seuchen und Krankheit ohne vernünftige Medizin...

Irgendwo ist aber im Zen für mich der Wurm drin - der Weg, die Verkopfung loszuwerden, ist mir zu verkopft.

Aber wer weiß, vielleicht gründe ich noch das Taozenheidentum *lol*

Bodecea

PS: @Hanna - ja, Siddharta las ich - und danke für das Gedicht! :-)

Anonym hat gesagt…

Hallo Bodecea :)!

Der Buddha-Klopapier-Vergleich taucht wenn ich mich richtig erinnere schon in einer der ursprünglichen Zen-Schriften auf - Mein Lieblingsspruch :D!

Mir kräuseln sich die Nackenhaare, wenn ich sowas höre wie "man kann erst nach 10 Jahren Meditationspraxis zur Erleuchtung finden" - und nach dieser Zeit hat man sie dann aber sicher, muss beim Gehen den Boden nicht mehr berühren und darf viel Geld für jeden Schwachsinn verlangen. :D

Alles Liebe,
Honig