28 Oktober 2009

Und jeden Tag ein Stück weniger von ihr...

Meine Mutter baut ab.

Für mich spielt es keine große Rolle, ob man das nun Alzheimer nennt oder Demenz, demenzielles Syndrom, Senilität oder Altersvergesslichkeit; die Diagnose ist höchstens relevant, sollte ich - was mir wohl irgendwann bevorsteht - Pflege über die Behandlungspflege hinaus beantragen wollen.

Ich habe gerade beschlossen, ein wenig darüber zu bloggen; manchmal geht mir die Thematik schon an die Nieren, manchmal finde ich sie problemlos bewältigbar, manchmal finde ich die kleinen tuddeligen Spleens meiner Mutter richtig witzig oder niedlich.

Vielleicht gibt es ja andere Betroffene unter meinen Lesern, die sich ebenfalls darüber austauschen möchten.

Wieso ist die Krankheit bei meiner Mutter aufgetaucht? Sie meint, es läge - sehr beruhigend für mich - in den Genen; ich weiß, das ihre schwere Diabetes ein Risikofaktor ist. Andererseits ist sie körperlich aktiv und für ihre 75 Jahre fit, normalgewichtig und hat ein intellektuell anspruchsvolles Berufsleben absolviert. Sie hat außer an Silvester ein Glas Sekt keinen Alkohol getrunken. Aber nach dem Tod meines Vaters vor 9 Jahren hat sie sich lange zurückgezogen, und ich glaube, dieses Abschalten-wollen damals hat ein Stückchen dazu beigetragen, dass es später bergab ging. Aber das ist nur eine küchenpsychologische Vermutung.

Wissenschaftlich gesehen weiß die Medizin noch nicht einmal, ob wirklich irgendwelche "Plaques" im Hirn das "Verkalken" verursachen oder doch irgendwelche anderen Gewebestränge; tun kann man gegen diese Dinge so oder so wenig. Die vorhandenen Medikamente sind hochriskant und/oder wenig wirksam, ein kurzer Versuch ihres experimentierfreudigen Hausarztes *grh* wurde von uns sofort gestoppt, nachdem meine Mutter danach total desorientiert war und sich ununterbrochen übergeben musste - ein no-go für einen Diabetiker wegen Unterzuckergefahr!

Einige Substanzen - unter anderem der Farbstoff Methylenblau, aber auch Koffein - sind in der Erprobung. Klar würde ich mir wünschen, dass ein wirksames und verträgliches Medikament gefunden wird, so lange meine Mutter noch halbwegs selbstständig ist, aber ich setze nicht drauf.

Was ihr auf jeden Fall gut tut - so viel soziale Kontakte (unter anderem mit unseren vier Katzen! ;-)) und so viel Selbstständigkeit wie möglich, so viel Hilfe wie nötig!

Das ist für mich und meinen Wildehemann immer eine heikle Gradwanderung - wo müssen wir sie anhalten, etwas selbst zu tun, wo müssen wir ihr in den Arm fallen, damit sie sich oder andere nicht gefährdet? Muss ich ihr künftig bei der Wäsche helfen, weil ich bemerkt habe, dass sie Handtücher, Lappen und Pullis wahllos in den Schrank stopft? Klappt es noch mit dem Telefonieren? Wie bringen wir ihr wieder bei, dass Katzen keine Vollkornbrötchen essen?

Das sind Fragen, die mich jeden Tag beschäftigen.

9 Kommentare:

distelfliege hat gesagt…

In Berlin gibts grade eine Ausstellung zum Thema Demenz, die jetzt viel beworben wird. Da gibts auch ne Kampagne und es soll ein Forum zum Austauschen geben auf konfetti-im-kopf.de.

Ich finde es wirklich cool, was ihr macht, also dass du und dein Wildehemann euch um deine Mutter kümmert. Ich hab als Teenager immer vorgehabt, dass ich mich um meine Eltern auch mal kümmern will. Ich weiss allerdings nicht, ob und wie ich das dann später wirklich durchziehen kann. Naja nu sind meine Eltern ja noch recht jung und grad erst in Rente gegangen *g*

Aber ich finde es wirklich cool was ihr macht, Respekt!

Diana Kennedy hat gesagt…

Ich finde es auch sehr bewunderswert, dass Ihr Deine Mutter nicht im Stich lässt. Obwohl es wohl immer schwieriger werden wird.
Mir persönlich macht das Thema grosse Angst. Ich denke immer: Sollte meine Mutter mal altersdement werden, habe ich dann die Kraft, damit umzugehen? Ich habe eine Zeitlang auf jede Vergesslichkeit von ihr mit Panik reagiert und sie damit auch ziemlich genervt. Witzigerweise ist sie jetzt deutlich weniger vergesslich als noch vor Jahren, (damals hatte sie aber auch viel Stress) so dass ich mittlerweile vorsichtig bin mit übereilten Reaktionen. Wie Du auch sagst; dagegen tun kann man, wenn es soweit ist, ja eh wenig bis gar nichts.
Ich finde es einfach furchtbar, wenn sich ein geliebter Mensch praktisch langsam vor einem "auflöst". Jeden Tag weniger wird, wie Du schreibst. Ich wünschte echt, die Medizin würde da mal was finden.

T. hat gesagt…

Etwas ähnliches habe ich vor inzwischen vielen Jahren mit meiner Oma erleben müssen. Sie war am Ende kaum noch ansprechbar, hat uns nicht erkannt und hatte Angst, weil sie nicht wusste was mit ihr passiert.

Ich hoffe für euch, dass es nie so schlimm wird.

Liebe Grüße, Sefa

Bodecea hat gesagt…

Hallo ihr Lieben,

danke für's Feedback!

Das Wichtigste war für mich, erst mal einzugestehen, dass die kleine Tüddeleien doch mehr sind als nur normale Altersvergesslichkeit; das war hart, ich gebe es zu.

Aber ich bin froh, dass es sich über die letzten Jahre extrem langsam verschlechtert; damit kann man besser umgehen, als wenn jemand innerhalb von Wochen und Monaten "weg" ist.

Bodecea

Karan hat gesagt…

Gibt es bei Euch in der Gegend eine Selbsthilfegruppe (evtl. sogar eine für Angehörige)? Macht Euch da mal schlau, denn ein Austausch mit Betroffenen bzw. Pflegenden ergänzt die recherchierten Informationen um den Aspekt des Praktischen - und das ist wahrscheinlich genau, was Ihr braucht.

Die Mutter einer lieben Freundin ist ebenfalls dement. Für sie war der wichtigste Schritt die Anerkennung des eigenen Zustands. Und der selbstbewußte Umgang damit, z. B. wenn sie bei einem Vortrag in der anschließenden Fragerunde eine Frage stellte, die bereits gestellt worden war, dann sagte sie dem Referenten, der sie darauf hinwies: "Ich habe Alzheimer und bitte Sie daher, die Antwort nochmal zu wiederholen."
Find' ich toll.

Viel Kraft!

Feronia hat gesagt…

Hard, hard times for you. It's so difficult to see the role of 'parent' and 'child' reversed in this sense. I'm thinking of you, and, although I'm on the other side of the world, if there's anything at all I can do, just let me know. :)

Bodecea hat gesagt…

Danke euch beiden :-).

@Karan - jain, ich hatte mal mit einer Dame aus der Richtung wegen einer Krankenkassenfrage Kontakt, aber die war so... überfahrend, so im Tenor von "egal wie es den Alten dabei geht, möglichst viel möglichst schnell "outsourcen", um die eigenen Haut zu retten, denn die Angehörigen werden zwangsläufig alle psychisch krank etc. etc.", dass ich mich beim Telefonat schon schrecklich unwohl fühlte.

Es ist nicht immer leicht - aber ich befinde mich hier nicht im Krieg!

Bodecea

MartinM hat gesagt…

Ja, diese Form der aufdringlichen, panikmachenden "Hilfsbereitschaft" kenne ich auch :( - ich dachte aber, dass das seit der Zeit, in der meine Großmutter schwer psychisch krank war, anders geworden wäre. Es ist zwar richtig, dass pflegende Angehörige immer auch an den "Selbstschutz" denken sollten - Selbstausbeutung aus Opferbereitschaft ist Raubbau an der eigenen Gesundheit. Es stimmt aber einfach nicht, dass
die pflegenden Angehörigen zwangsläufig alle psychisch krank werden würden. Nicht einmal bei psychischen Krankheiten, die noch dramatischer sind als Demenz, muss das der Fall sein.

Also, ich finde es klasse, wie Ihr mit Deiner Mutter umgeht. Und ich wünsche Euch, dass Ihr eine Selbsthilfegruppe findet, die nicht so panisch ist.

queerbeet hat gesagt…

auch von mir die allgergrößte hochachtung davor, dass ihr deine mutter zuhause betreut. ich kenne das thema von meiner oma und weiß, dass ich das nicht durchdrücken würde. bei meiner oma konnte da übrigens medikamentös einiges gemacht werden. sie war schon ziemlich "verwirrt" und ist jetzt wieder klar mit ein paar "vergesslichkeiten", aber sie halluziniert z.b. nicht mehr.