10 April 2008

Neurotischer Träumer

Lese mal wieder interessante Texte über Tiefenpsychologie. Besonders die Adler'sche Schule ist mir recht sympathisch. So war Adler schon Anfang des 20. Jahrhunderts ein großer Verfechter von Gleichberechtigung und einer gewaltfreien Erziehung. Homosexualität hielt er allerdings, wie die meisten Psychologen bis in die 70er Jahre, für eine Fehlentwicklung - was einem ja heute negativ auffällt.

Aber eins zu eins übernehmen kann man die frühen Ansätze der Tiefenpsychologie sowieso nicht, und das tut zum Glück ja auch kein Therapeut mehr (soweit ich weiß).

Fühle mich nichtsdestotrotz beim Analysiere-mich-selbst-beim-Lesen etwas in Frage gestellt. Adler hat ein - eigentlich sehr positives, dennoch für mich auch ein wenig ideologisch eingefärbtes - Idealbild vom Menschen als freien, handelnden, aktiven, extravertierten, auf Menschen zugehenden, mutigen, sozialen Machers. Davon finde ich bei mir - zurzeit - wenig wieder. Mummele mich lieber neurotisch zu Hause ein ;-).

Aber immerhin kann ich mich gut an meine Kindheit und meine Träume erinnern... mir wurde mal wieder bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist. Laut dem eher unbekannten Psychologen Ernest G. Schachtel ist das ein Zeichen dafür, dass man von der Gesellschaft noch nicht völlig gleichgeschaltet wurde und sich nicht der Konvention beugte, die das Individuelle, Abweichende, Künstlerische, Träumerisch-Kindliche niederknüppelt.

Ich bin also der geborene neurotische Künstler! Rede ich mir jetzt ein, um meine berufliche Ohnmacht mit Größenwahn zu kompensieren ;-).

Interessant fand ich auch, dass Träumer, die eine tiefenpsychologische Therapie machen - zum Beispiel eine Psychoanalyse - oft die Art von Träumen produzieren, die in den Therapiestil passen. So träumen Klienten in einer Freud'schen Therapie von sexuellen Symbolen, Patienten von Jungianern von archetypischen Helden und solche, die zu einem Adler'schen Therapeuten gehen, von Macht-Ohnmachts-Problemen.

Wäre sicher mal lustig, seine Träume von verschiedenen Schulen interpretieren zu lassen. Aber ich genieße sie lieber ohne Beeinflussung. Freudianisch träume ich eh nie. Wozu SYMBOLE?

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