30 August 2007

Laufen, gucken, häuten

Habe ich schon mal erwähnt, dass wandern total schön ist, toll, super und überhaupt? Dass ich dabei die besten Gedanken habe und jeder Stress, jede Sorge, jede Not abnimmt?

Na ja, vielleicht das eine oder andere tausende Mal ;-).

Vielleicht ist das auch einer der Gründe, wieso ich den Herbst so mag. Im Winter ist es oft zu kalt und matschig, im Sommer zu warm und regnerisch, aber im Herbst.... *schwelg*

Gerade jetzt haben wir allerfeinste Wanderbedingungen - knapp 20 Grad, heller Sonnenschein, ein bisschen Wind, nur wenige Leute mittags unter der Woche unterwegs... bin die letzten Wochen langsam wieder in die Gänge gekommen und habe heute immerhin 14 km geschafft.

Ich laufe gerne mit Freunden oder meinem Partner, aber am allerliebsten - alleine. Die Wasserflasche eingepackt, einen Müsliriegel und einen Apfel, die passende Wanderkarte, das Notfallhandy von Muddi - dann kann es losgehen. Laufen und denken. Singen. Anstrengende Hügel hochkeuchen und entspannt bergab stromern.

Nach jedem Kilometer fühle ich mich mehr als ich selbst. Bleibe oft stehen, schreibe etwas in mein Tagebuch. Ich bin mir fast sicher, 3/4 aller halbwegs relevanten Erkenntnisse in meinem Leben hatte ich beim wandern.

So wie heute - wie ich diese Weite liebe!


Ich brauche Weite, ich brauche Klarheit. Brauche Bewegung im Leben und trotzdem vertrauten Boden unter den Füßen. Ich brauche Intensität und Wahrhaftigkeit, auch wenn ich sie zu oft "draußen" gesucht habe statt in mir drin. Es ist Herbst, und das ist immer die Zeit, in der ich mich zurückziehen will und muss. Denken. Laufen. Die Natur genießen. Reifen. Ernten. Mich häuten. Denn ich wachse, auch wenn ich - wie mir mal wieder aufgefallen ist - schon wieder zwanghaft und panisch den Fokus auf all meine "Minderwertigkeiten" gerichtet habe statt auf das, was gut ist und stark und wachsen will.

Ich bin manchmal ängstlich. Ich strotze nicht immer vor Selbstbewusstsein oder Arbeitswut. Die Vorstellung, irgendwelche Kon-Jobs, möglichst noch weit weg von meinen geliebten Wanderwegen, anzutreten, lässt mich erschaudern. Und ich fühle mich klein und doof und faul (& fett), starre drauf und weiß doch nicht, wie ich es ändern soll. Sollte ich nicht selbstbewusst und brusttrommelnd auf jede Profilierungschance zustürmen? Aber wie?

Klar kann sich in dem Bereich was ändern. Aber heute habe ich wieder mal verstanden, dass es viel besser ist, wenn ich die Teile von meinem Leben, von MIR hege und pflege, die sowieso wachsen wollen.

Und langsam fällt mir auch wieder ein, wer ich überhaupt bin. Und wer nicht!

Häutungen. Im Augenblick kann ich vieles schwer ertragen und tue sicher vielen Unrecht, aber jede Form von Oberflächlichkeit, von gesellschaftlichem Kompromiss, von das-tut-man-so, das-muss-so, das-soll-so, von Fremdbestimmung macht mich bockig und unglücklich.

Ich muss einfach mal ein bisschen... ach, ich hab es ja schon 1989 in einem Herbst mit 16 beschrieben:

(...)

Es ist wieder Zeit.
Freunde gingen und kamen;
ich spüre, wie sanft
die Kühle in mein Herz läuft,

Kühle, so klar
wie Sonnentage im Herbstwald,
leuchtender als goldener Wein,
zart wie erster Nebel.

Es ist ganz behutsam.
Ich werde kaum frieren,
nur langsam meine Türen schließen
um etwas allein zu sein in mir.

(...)

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