Mein Problem – wenn man es als Problem sehen will – ist, dass ich einfach zu jeder Eigenschaft von mir, zu jeder Motivation und jedem Ziel auch das genaue Gegenteil in mir trage. Ich kann sehr zielorientiert sein und fleißig, eine richtige Arbeitsmaschine – und unsäglich faul und phlegmatisch. Ich kann bodenständig und stabil sein – und so labil und ziellos wie ein Blatt im Wind. Ich bin treu und flatterhaft, mein Kopf ist manchmal ein Präzisionscomputer und manchmal nur Matsch und Brei. Ich bin kämpferisch und feige, ich will einen guten Job und der ganzen kapitalistischen Konsumwelt den Rücken kehren. Ich will vielleicht Kinder. Ich will meine Freiheit um alles in der Welt behalten. Ich will meine Ruhe. Ich will Abenteuer. Wahhhhh.....
Was ich mich frage – wo ist unter all dem die Person, die ich bin?
Dass ich aus verschiedenen Facetten bestehe, ist ja ok. Schon vor vielen Jahren habe ich zusammen mit einem Freund lange darüber diskutiert, und seitdem ist das Bild von mir das eines Lichtes, das durch viele wechselhafte Dias fällt und verschiedene Dinge projiziert. All diese unterschiedlichen Dias gehören zu mir, sind Eigenschaften und Projektionen (und Konstruktionen) von mir – aber sie sind nur da durch das Licht meines Inneren, das durch sie fällt. Und dieses Licht ist nur sichtbar durch die Projektionen, die aber nicht mein Inneres sind.
Allerdings habe ich früher diese Vielfalt genossen und meine verschiedenen Anteile gerne beobachtet und gepflegt. Das hat sich die letzten Jahre geändert. Ich bin sie und ihre Unberechenbarkeit etwas Leid.
Ich will mich nicht nur mit immer mehr verschiedenen äußeren Ansichten von mir begnügen, die alle austauschbar und instabil sind. Ich will wissen, was das ist, das sich – wenn ich mich hineinfühle – bei mir als Schulmädchen genauso anfühlt wie in mir heute. Das Ich, was unabhängig von meiner sozialen Stellung, meinen Jobs, meinem Partner, meinem Wissen ist.
Das Problem ist, dass dieses Ich ohne die ganzen Äußerlichkeiten so vage und un(be)greifbar ist, dass einen die Selbsterkundungen recht ratlos zurücklassen. Es sind wortlose Bilder (und das mir, der Wortfetischistin) – ein Licht. Ein schwarzes Meer unter mondlosem Himmel. Ein tiefer Schacht. Eine blutrote Höhle. Eine Wärme. Ein Wind...
Ich denke viel über den Buddhismus und anderer fernöstliche Weisheiten nach und deren zentrale Aussagen, durch das pure Sein im Hier und Jetzt, ohne diese ganzen zusammengebastelten Persönlichkeiten mit konstruierten Eigenschaften, zu heiterer Gelassenheit und Glück zu finden. Einfach handeln und sein.
Bin ich also auf dem falschen Dampfer? Macht es gar keinen Sinn, über die Qualität dieses unbeschreiblichen inneren Kerns nachzudenken? „Sorge dich nicht, lebe“... wie ich diese Tipps hasse. Wie geht das, sich nicht sorgen? Einfach leben?
Sollte ich mich eher bemühen, meine verschiedenen Facetten zu (re-)kultivieren? Oder sie überwinden?
Oder sollte ich mir endlich mit aller Energie einen Vollzeitjob suchen oder 1-2 Kinder machen und aufhören, wie bekloppt und mich selbst zu kreisen?
Wahhhhh.......
Bin grade ratlos. Und irgendwie klingt das alles, als hätte ich einen Sprung in der Schüssel ;-).
7 Kommentare:
Also einen richtigen Rat habe ich auch nicht - aber mach mal eine Selbstkreisungspause - das tut gut. :-)
Ich bin grad sehr langweilig mit mir und das ist großartig!
*winke*
BärenSchwester
Dein Wort in Gottes, äh, Göttins Gehörgang! Werde mich mal bemühen,. mehr draußen herumzuschlurfen, wenn der Regen nachlässt. Das therapiert bei mir alles ;-)
Ich weiß, es ist für Dich kein Trost, aber mir tut es gerade so richtig gut, zu sehen, daß ich nicht die einzige mit derartigen inneren Widersprüchen bin.
Das Dumme dabei ist, daß ich mich deswegen oft selbst aburteile und mich so, wie ich bin, gar nicht leiden kann, weil ich glaube, ich müsse doch endlich mal "eindeutiger" werden, fühlen, denken und vor allem handeln.
In letzter Zeit merke ich, daß ich so nicht weiterkomme, daß mir meine eigenen Selbstbewertungen wirklich massiv im Weg stehen - und ich bemühe mich, immer mehr im Augenblick zu leben: das hilft, denn da gibt es keinen wirklichen Widerspruch, der entsteht ja meist aus dem weiteren Kontext.
Aber das ist gar nicht so einfach, in einer Kultur, deren Prägungen jahrhundertelang lineare Zeit-, Welt- und Selbstanschauungen hervorgebracht hat und deren Teil auch wir nun einmal sind.
Ich wünsche uns Gelassenheit!
Huhu Karan,
doch, das ist schon ein Trost! Und das mit dem im Augenblick leben versuche ich auch - die ständige Grübelei bringt es ja einfach nicht.
:-)
Bodecea
Ach du je ... noch eine :-)).
Ich hab auch keine Antworten, da ich selbst mich mit eben diesen Fragen auch rumquäle. Suchen und knapp vorbei laufen, den Sinn finden um ihn in Frage zu stellen, Erlösung und Frieden anstreben und damit den Zweifel zur Gottheit erheben...
Ich bin ja schonimmer froh zu wissen, was ich nicht will oder bin :-).
wenn du einen Weg findest, die Selbstumkreisung aufzuheben, melde dich bitte bei mir!!
Tja, und dann gibt es ja Leute, die sich mit solchen Themen überhaupt nicht konforntiert sehen - aber da hab ich auch noch nicht rausbekommen, warum das bei denen so anders läuft.
Ach ja, Vollzeitjob und/oder Kinder sind höchstens temporäre Ablenken, schaffen aber keine Abhilfe (*so-meine- Erfahrung-hab*)
Nun denn, dann wünsche ich dir regenfreie Zeiten
Endlosfaden
Also mir hat sehr geholfen, dass ich den Teilbereichen meines Selbst namen gegeben und ihre Eigenschaften genau voneinander abgegrenzt habe. So wurden sie (be)greifbarer.
Der Nächste Schritt war, eine übergeordnete Instanz zu erfinden. in meinem Fall war es ein König, kann aber auch alles andere sein. In schwierigen Situationen kann ich nun einen virtuellen Rat zusammenrufen und so das Problem von allen Figuren (Teilbereichen meines Selbst) betrachten und beurteilen lassen. So gelang es mir das Problem der unterschiedlichen Facetten zu instrumentalisieren und zu nutzen.
Wenn sie sich nicht einigen können, oder ich trotz einer mehrheitlichen Entscheidung unzufrieden bin, hat der König ein Veto-recht und die absolute Entscheidungsgewalt.
Hallo Endlosfaden, hallo Tyrarachsa,
Danke für eure Kommentare!
Könnte da jetzt stundenlang zu senfen, aber grade hat mich die schnöde angenehme Alltagswelt wieder eingeholt ;-).
Alles Liebe
Bodecea
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