22 Februar 2006

Cry wolf, uhhh-uhhh, time to worry now...

Von Wölfen in der Esowelt...

Es gibt eine Sache, die mich beim jahrelangen Stöbern durch das Internet immer mehr verwundert hat – und zwar die überproportional hohe Anzahl von Magietreibenden und Hexenheiden, die demonstrativ dem Wolf nahe stehen.

Damit man mich nicht falsch verstehe – ich hab nichts gegen Wölfe, auch wenn ich selbst eher die Katzenwesen bevorzuge *mau*. Mir ist auch klar, dass jede Form des Schamanimus wertvolle Lektionen in Form verschiedener Totemtiere – eben auch dem Wolf – bereithält. Ich versteh die Faszination für dieses wilde Tier, für die Lust am Geruch des Wilden, Freien, ja auch „Bösen“.

Was ich nicht ganz verstehe, ist, wieso gerade die Kuschelesos fluffigster Couleur sich am meisten davon angezogen fühlen. Vielleicht, weil es ihre eigene verzerrte Sicht widerspiegelt – sie selbst, die verklemmten, langweiligen, rosaroten Gestalten, die sich als böse Vampir-femme-fatale sehen, erkennen sich wieder in dem verkitschten Bild es netten, kuscheligen Schmusewolfes? Beides als eine Art zahn- und krallenlose Variante der früheren, wilden und nicht unbedingt lichten und lieben Gestalten?

Irgendwie macht mich das schaudern.

Um jenseits von „wie süß“-Getue dem Wolfsbild, wie ich es in mir ohne Widerwillen tragen kann, auf die Schliche zu kommen, habe ich mich durch viele Seiten des Handwörterbuchs des deutschen Aberglaubens gewälzt. Es gibt kaum eine Eintragung mit so vielen Seiten wie den Wolf. Und abgesehen von ein paar zwiespältigen Einstellungen im germanischen und griechischen Bereich wurde der Wolf als das Böse schlechthin gekennzeichnet – auch nicht anders als die Hexe...

Ich finde, damit tut man dem Tier und auch dem Wolf oder der Wölfin in sich ebenso Unrecht wie mit dieser zuckersüßen silbrigen Rosa-Blumenwolf-Einstellung. Wölfe sind wild, bedrohlich, mörderisch, so wie unserer Triebe, so wie unsere Sexualität. Weder ist es richtig, diese reißenden Ströme in sich weich zu reden und als harmlos zu klassifizieren, noch, sie um ihrer Grausamkeit zu vergöttern, wie es jener fürchterliche Mann tat, der sich von seinen Geliebten Wolf nennen ließ...

Statt dessen sollte man, so denke ich, mit diesem Bereich in sich und um sich, der durch den Wolf charakterisiert wird, mit Achtsamkeit und Vorsicht umgehen. Dann könnte es ein wertvoller Helfer sein, ohne einem an die Kehle zu gehen.

Und man sollte nicht vergessen vor lauter „einsamer Wolf“-Romantik, dass der Wolf ein Rudeltier ist, ein Wesen, das strenge Hierarchien hat und sich dem über sich stets beugt, wenn es ihn nicht bezwingen kann. Wer mit den wilden Trieben in sich spielt, sollte sicher sein, stärker zu sein als sie.

Nur ein paar wenige Stichworte... der Wolf...

... schon Wolfsamulette in vorgeschichtlichen Funden

...wurde im Keltischen aus Furcht nur mit seinem Tabunamen Kinos/Kidu (Nacht-/Schwarzhund) bezeichnet.

... ist das Tier Odins und der Nornen; Fenris

... ist bei den Indianern zum Teil das Totemtier für den Kriegspfad, das heimliches Einschleichen begünstigt

... war Osiris zugeordnet

... war bei den Griechen Attribut oder Begleiter von Apollo, Ares, Artemis; es gab auch einen Wolfsgottkult (Zeus Lykaion), Aphrodite wird als Wölfin bezeichnet, Athene trägt den Wolf als Schildsymbol, Hekate hat auch Wolfsgestalt

... am 15. Februar waren in Rom die ausschweifenden Lupernalien, der Wolf war ein Tier Bacchus

...hatte als Namen oft Bezeichnungen, die beinhalteten: grau, breite Stirn, mager, langer Schwanz, Funkelauge, Untier, Ungeziefer, Wald, Schädlichkeit, böse, feindlich, Troll

... wurde in Mitteleuropa [nicht ganz Europa, thanx to mdw für den Hinweis auf diese Ungenauigkeit] zwischen dem 17. Jahrhundert (England) und 1900 weitgehend ausgerottet

... ist laut Sage ein Geschöpf von Teufeln, Dämonen, Ungehorsam Evas, dem Teufel und/oder Gott

... ist in der Sage feige, stinkt, schwächlich, schämt sich, verfressen, Feind des Hundes, Mann der Füchsin (!), Freund des Bären (Indianer), unglaublich stark, riecht dumpf, fällt (schwangere) Frauen an, steifer Rücken, scharfe Zähne, Gehirn nimmt mit dem Mond ab und zu (!), bekommt jedes Jahr eine neue Leber

... hasst Licht, ist listig, strategisch, hat einen Wolfshunger, ist satt harmlos, ist voller Ungeziefer

... er und die Wölfin sind geil, brünstig, ihr Name bezeichnet Päderasten und Bastarde, die Wölfin macht es mit dem hässlichsten Wolf, damit die anderen das riechen und ihn dann töten

... ist wild, bissig, blutgierig, unbezähmbar, grimmig, kampfbegierig, böse, grausam, unverbesserlich, treulos, hartherzig, diebisch, alt, grau. Wüst, mürrisch, unstet, dumm, schlau

... ist Sinnbild für den Feind, Ketzer, Gottlosen, Widersacher, Falschheit und Treulosigkeit, das Schlachtfeld, den Antichristen

... begleiten die Wilde Jagd

... sind oft verwandelte Hexen, Dämonen, Geisterwölfe, Alpgestalten, Feen oder Wilde Männer oder werden von ihnen begleitet

... sind Begleiter der weißen Frauen

... sind Begleiter und „Nutztier“ der Hexen (auch: lapula, Wölfin!)

... gelten als apotropäisch, oft Wolfszähne usw. als Amulette

...Werwölfe

... böses Omen



3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jo, ich schalt inzwischen auch schon fast automatisch auf Misstrauen, wen sich jemand als Wolf vorstellt. Iss vielleicht ein Vorurteil aber bei der Überstrapazierung des Themas ...

An einer Stelle bin ich allerings gern pingelig. Und zwar wenn wer Westeuropa mit Europa verwechselt:

>wurde in Europa zwischen dem 17. >Jahrhundert (England) und 1900 >weitgehend ausgerottet

Nope. Je nach Rechnung liegt der geografische Mittepunkt Europas irgendwo zwischen Thüringen und dem Westen der Ukraine. Auf jeden Fall gehört östlich der Oder bzw. zumindest der Wisla noch ziemlich viel Land zu Europa, in dem dem die Wölfe nie ausgerottet wurden. Ich dnek mal, für Skandinavien gilt das gleiche?

Grüßlies. MdW :)

Anonym hat gesagt…

Es gibt einfach Dinge, die werden wir nie verstehen.
Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit Wölfen, lese Fachbücher, Forschungsberichte und freue mich über Meldungen, die die Rückkehr der Wölfe bestätigen.
Was auf Kosten dieser Tiere ausgetragen wurde und wird finde ich haarsträubend!
Der Wolf ist ein Lebewesen wie wir, in vielen Kulturen ist er hoch angesehen. Sein Sozialverhalten ist bemerkenswert, sein Lebensraum leider sehr bedroht. Trotz allem schaffen es diese Tiere sich ihren Platz hier wieder zu erobern. Ein natürlicher Vorgang, wie ich finde.

Die Geschichten und Mythen um dieses Tier sind vielfältig und von falsch verstandenem Glauben missbraucht worden.

Wer etwas auf sich hält - so die einfältige Meinung vieler - der schmückt sich mit seinem Konterfei und findet sich absolut TRENDY.

Fachliches Wissen über den Wolf, sein Leben, seinen Lebensraum, die Rangordnun im Rudel, Speiseplan u.v.m. - bei diesen "Wolfsanhängern" leider Fehlanzeige.

Grüße
innis

Bodecea hat gesagt…

Hallo mdw - damit hast du natürlich Recht, bei dem Verschwinden der Wölfe war von dichtbesiedelten Gebieten in Mittel-/Westeuropa die Rede, weiter östlich und nördlich gibt es sie heute noch.

Hallo Innis, ich finde Wölfe auch interessant und hatte früher auch einen engeren Bezug zu ihnen, muss aber einfach gestehen, dass ich wohl einmal zu viel einen "golden schimmernden Elfenwolf" in einem Hexenforum gesehen habe.

Was mich wirklich interessiert - wann und wie haben die Umschwünge stattgefunden zwischen dem Wolf als spirituellem Wesen bei den "ollen Heiden", dem Wolf als Inbegriff des Bösen im Volksglauben bis ins 20. Jahrhundert und dann wieder der Wolf als magisches-mystisches Wesen in der heutigen "Esoterik"? Und wie stark ist unserer Einstellung zu unserern Trieebn, die der Wolf ja in meinen AUgen auch symbolisiert, damit verknüpft?

Alles Liebe
Bodecea