27 Mai 2005

Naud—Naudiz—Nauthiz

„Wo die Gefahr wächst, wächst das Rettende auch“

Diese Rune hat sich mir schon aufgedrängt, bevor ich überhaupt wusste, dass sie gezogen wird und wir sie als nächstes bearbeiten – ich habe nämlich von ihr geträumt in der Nacht, in der sie ausgelost wurde. Seltsam, nicht? Dabei ist sie eine der Runen, von der ich vorher gar keinen Anhaltspunkt für die Bedeutung hatte.

Was ich dann bei den anderen und in Runenbüchern las, war sehr widersprüchlich. Ein Abwehrsymbol gegen Not, gleichzeitig ein Zeichen für Not. Oder für die Hilfe in Not? Irgendwie auch Magie – abwehrende und schadende.

Der zugeordnete Baum - wie gesagt, ich gehe an die Runen über die Baumzuordnungen heran und darüber, dass ich mir aus dem jeweiligen Holz ein Runenstäbchen erstelle - ist die Buche – wie passt das zusammen? Wo doch die Buche so stark und stolz und schön ist.

Aber die Buche ist auch die Grundlage für das Buch, in dem unsere Lektionen stehen. Und für die Buch-Staben, die Runenstäbe, mit denen die Zukunft vorhergesagt und Probleme analysiert werden. Runen ebenso wie Karten, I-Ging oder jedes andere Orakel tun eigentlich genau das, was Naudiz tut – sie legen den Finger in die Wunde und sagen – da ist dein Problem! Jetzt weißt du es – und kannst etwas dagegen tun.

Naudiz ist sozusagen die Runen-Rune.

So machte ich mich bei einer meiner Spaziergänge daran, über diese Rune und die Buche nachzudenken. Ich suchte dabei einen meiner liebsten Orte auf, den Götzenstein, einen sehr energievollen Platz, der der Sage nach einer der letzten Opferstätten germanischer Stämme in unserer Gegend war. Er steht in dem hier typischen Buchenmischwald.

Hier komme ich oft her – einfach so, um zu meditieren, um zu danken, aber auch oft, um um Hilfe zu bitten.

Ich habe diesen Ort auswählt, weil mein Gefühl bei der Rune mir sagte, dass sie für mich auch für die Hilfe und das Überwinden einer Not steht statt nur für die Not selbst. Nur das Problem, dass uns deutlich vor Augen steht, ist überhaupt zu bewältigen. Solange es diffus bleibt und ungreifbar, können wir auch nichts dagegen unternehmen.

Naudiz symbolisiert für mich eben diesen Schritt, in dem ein Problem konkret wird. Das ist dann kein „zufälliger“ Schicksalsschlag, der einem wie ein Blumentopf auf den Kopf fällt, sondern das Resultat aus den früheren Entwicklungen. Naudiz ist nicht der Beginn des Problems, sondern seine Diagnose. Naudiz ist der Brief an den eigenen Mann von der fremden Frau, mit der er einen seit Jahren betrügt; Naudiz ist der stechende Schmerz im Knie des Mannes, der in der Midlifecrisis zu joggen beginnt, weil er denkt, er bleibe immer jung. Naudiz ist die Kündigung, die einem auf den Tisch flattert, weil man jahrelang im Schlendrian gearbeitet hat. Naudiz ist der gute Freund, der einen beiseite nimmt und sagt, wie unerträglich arrogant man geworden ist.

Um es kurz zu machen – für mich bedeutet Naudiz zunächst eine schmerzende Kränkung. Das schöne, heile Bild, dass wir von uns und unserem Leben entworfen haben, bekommt einen Riss. Im spirituellen Bereich wird dies symbolisiert durch den Schatten, dem wir auf unserem Weg zu mehr Bewusstheit begegnen.

Die Kränkung tut weh, wir wollen sie zunächst nicht annehmen. Wir halten uns die Augen zu, wir hören nicht zu, wir schauen weg. Wir wollen uns dieser Konfrontation nicht stellen. Wir haben Angst, Angst zu kämpfen, Angst zu verlieren, Angst, von einem heilen Idealbild Abschied zu nehmen. Aber Naudiz-Probleme gehen nicht weg, wenn man die Augen zuhält. Wenn man vor ihnen wegläuft, werden sie nur immer größer.

Daher ist das erste große Risiko bei Problemen, wie sie Naudiz darstellt, vor ihnen wegzulaufen und sie zu ignorieren.

Das zweite Risiko ist, in völliger Verblendung vor den tatsächlichen Kräften, die man hat, und der Art des Problems, das vielleicht Nachdenken und Zurückhaltung fordert, kreischend und herumfuchtelnd auf das Problem einzudreschen. Das mag zwar manchmal die richtige Taktik sein, aber nicht immer. Die Buche warnt uns für Arroganz und Selbstgefälligkeit. Davor, vor lauter Streben nach dem Licht alles unter sich verkümmern zu lassen.

Wenn wir diese beiden Fehler vermeiden, öffnet sich uns vielleicht ein Weg, wie wir von Naudiz profitieren können. Denn nur an Herausforderungen wächst man; wenn wir in Kontakt mit unserer und der spirituellen Weisheit über uns agieren, ist Naudiz ein strenger Lehrer, ein harter Trainer - aber dennoch jemand, der uns weiterbringt. An jeder bewerkstelligten Aufgabe wächst man, auch wenn man dabei Narben davonträgt.

Das Ende einer Beziehung kann uns, wenn wir weglaufen oder um uns schlagen, krank machen und hart oder zu ängstlich, um noch einmal zu lieben. Es kann uns aber auch weiser machen und unser Herz läutern und feinfühliger mit der nächsten Liebe umgehen. So ist es mit allem – egal, ob wir eine Naudiz-Situation einfach nur durchstehen müssen, kämpfen, mutig sein oder lernen, mal nachzugeben – wir werden weiser aus hier herauskommen, wenn wir sie bestehen.

Ich bin wahrscheinlich nicht gerade das Paradebeispiel dafür, wie man sinnvoll mit Herausforderungen umgeht. Ich halte mir gerne die Augen zu oder laufe weg oder schlage blind um mich. Aber zumindest habe ich langsam verstanden, dass es Unsinn ist, die Götter zu bitten, eine Situation zu ändern. Das geht nicht. Die Aufgabe ist auf unserem Weg, und was auf unserem Weg ist, müssen wir selbst meistern. Und daher rufe ich, wenn ich unsicher bin und mich schlecht fühle und Probleme heranziehen sehe, die Göttin in ihren verschiedenen Personifikationen an und bitte um die Möglichkeit, zu Einsicht zu gelangen.

Ich wende mich nach Osten und bitte die schwertgegürtete Jungfrau, in mir ihre Intelligenz zu erwecken, damit ich die Situation klar und logisch erfassen kann, und ihren Kampfesmut, damit ich mich traue, die Konsequenzen zu ziehen, die notwendig sind.

Ich wende mich nach Süden und bitte die Mutter, die Geliebte, mir die Kraft zu schenken, die Situation zu meistern, und die Liebe und Wärme, dies am besten mit Lust und einem Lächeln zu tun.

Ich wende mich nach Westen und bitte die weise Frau vom See, meine trübe Gefühlswelt hell und klar werden zu lassen, damit ich sehen kann, was in den Tiefen meiner Seele schlummert, und im Notfall nachgiebig, aber ausdauernd zu sein wie das Wasser, das so weich ist und den härtesten Fels durchbohrt.

Ich wende mich nach Norden und bitte die Alte, mich stark und zäh zu machen wie der Fels, auf dem ich stehe. Ich bitte sie, mir zu helfen, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren und auch die dunkelste Nacht und den tiefsten Winter und den schwärzesten Schatten durchzustehen und notfalls ein Ende hinzunehmen.

Und dann geht es mir oft besser. Die Göttin ist gnädig, und oft kommt mir kurz danach die Einsicht – emotional, intellektuell oder einfach aus dem Bauch und aus den Knochen - was der Knackpunkt an einer verfahrenen Situation ist und wie ich sie angehen oder durchstehen kann.

Als ich diesmal den Götzenstein aufsuchte, kam ich aber nicht, um zu bitten.

Ich saß eine Weile auf dem Stein, versuchte, grölende Wanderhorden zu ignorieren, bis die abzogen – wodurch ich viel zu lange dort bleib und völlig „überladen“ war, als ich heim taumelte – und suchte einen Buchenast für die nächste Rune. Ich opferte und dankte. Ich dankte für die Einsicht, die Kraft, die Liebe und den Pragmatismus, die ich hier schon erhalten habe.

Und so sollten wir, wären wir weise, wohl auch Naudiz danken.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Pohhhh, was für eine schöne "Geschichte" !
Bittäää schreib zu jeder Rune so einen schönen Beitrag, dann kapier ich die auch nochmal ;)
Ich glaub, ich muß mir auch einen Spiri-Blog machen - und Deinen verlinken - bin schon Stammleserin :-)
liebe Grüße
die BärenSchwester

Bodecea hat gesagt…

Liebe Bärenschwester, danke dir für das Lob! Ja, das mit jeder Rune habe ich vor, wir nehmen usn alle paar Wochen zwei neue zur Brust. Kannst da auch gerne mal reinschauen und mitdiskutieren:

http://4598.rapidforum.com/

Alles Liebe
Bodecea

Anonym hat gesagt…

Hallöchen Booodddiiii,

hab mir mal vor ner zeit dein blog gelesen und dann dachte ich, ey das ist gefaket, aber nein ist es nicht, die sind ja real. Wow, ich muss jetzt auch an meinem arbeiten, hab den schon seit nem monat nimma bearbeitet. Wow ich will mal werden wie du, meine amazone. Wuma wuma, taka taka, uga uga

Licht und liebe hihi

Artemis

Anonym hat gesagt…

Danke Boadecea, das zu lesen hat mir sehr geholfen. Und "etwas liegt auf unserem Weg" ist auch eine ziemlich präzise Beschreibung des Aussehens der Rune.
LG
Atta

Anonym hat gesagt…

hallo du!

hab heute morgen nauthiz als rune für diesen tag gezogen. es wundert mich nicht ... noch bin ich am herumschlagen und um mich treten, anstatt endlich zu akzeptieren, dass ich mal wieder (wie seit jahren) beim thema beziehung den gleichen fehler gemacht hab. bin jedoch guter hoffnung, dass ich meine probleme endlich in den griff bekomme und die alten verhaltensmuster ablege. die runen sind dabei eine grosse hilfe ...

alles liebe und danke für die inspiration, die mir deine wundervolle seite gegeben hat.

liebe grüsse anita