14 Juli 2009

Haarig!

Vorsicht - das nachfolgende könnte vor allem angelsächsische und jüngere LeserInnen verstören...

Ich bin, ich gebe das zu, in haarigen Zeiten groß geworden. Haare - long, beautiful hair! - waren in den 70ern das Symbol für Freiheit und jugendliches Aufbegehren schlechthin. Die 80er kamen und mit ihnen Nena mit den haarigen Achseln. Frühe Feministinnen verweigerten den glatten Körper und das Rasieren der Beinbehaarung, und ich habe bis heute fast ein schlechtes Gewissen, mir zumindest im Sommer meine paar kümmerlichen blonden Beinhärchen abzurasieren, als beginge ich Verrat an der Sache der Frau. Auch unter meinen Achseln ist meistens alles so, wie die Göttin es hat wachsen lassen, außer mir steht der Sinn extrem nach sehr knappen Trägerhemdchen (habe ich schon erwähnt, dass ich abgenommen habe?).

Und meine Vulva ist noch nie mit Rasierern in Kontakt gekommen.

Und bis vor kurzem dachte ich, letzteres wäre bei den meisten Frauen so. Klar, professionelle Schwimmerinnen und Badewäschemodels mögen sich dort ja rasieren, dachte ich naiv, vielleicht noch ein paar Frauen mit akuter Filzlausgefahr oder einem harmlosen Fetisch, der Körperbehaarung ablehnt.

Gustave Courbet , "Origin of the world"

Wie habe ich gestaunt, als ich letztes Jahr in der Emma erfuhr, dass Intimrasur angeblich immer weiter um sich greift und letzte Woche in der Zeit las, dass sich zum Beispiel bei Studenten 88 % der Frauen und 67 % der Männer regelmäßig - regelmäßig! - den Intimbereich rasieren.

Bei heutigen Teenagern gilt es laut diesem Artikel oft schon als absolut ekelhaft und pfui-bäh, wenn man - bzw. frau. Vor allem frau - sich "da unten" nicht rasiert. Victoria Beckham, die ja irgendwelche Menschen wichtig finden müssen, da ich sie immer wieder im Fernsehen sehe, meinte sogar, das solle Pflicht sein.

Nichts gegen persönliche Geschmäcker, das kann ja jede(r) halten wie er oder sie will. Mir gefällt es weniger gut, wenn Erwachsene untenrum so nakisch und potenziell kindlich aussehen, bei Männern hat das was von Fleischtheke ("Da, Fräullein, die dünne rosa Fleischwurst, genau die!") aber - jeder nach seiner Fasson! Über die Jahrtausende war es immer mal wieder in und dann wieder out.

So what.

So weit wie Regula Stämpfli in besagtem Emma-Artikel würde ich daher nicht gehen, darin prinzipiell eine entmächtigende, entweiblichende Geste zu sehen. Ich denke, es kann individuell auch heißen - "Da, schau her! Hah! Muss ich nicht unter Haaren verstecken, meine Muschi!"

Dass sich allerdings die meisten Teenager vor einer natürlich behaarten Frau regelrecht ekeln, finde ich schon bedenkenswert - und ein bisschen traurig. So, als ob das jenseits einer beliebigen Mode doch wieder ein weiterer Schritt ist in Richtung "Igitt, Natürlichkeit!" und (körperlicher) Uniformität. Es geht ja noch weiter in dem Zeit-Artikel; immer mehr Frauen lassen sich ihren Schambereich operativ "umgestalten", damit er "dem Schönheitsideal entspricht".

Ich lebe hinterm Mond.

Ich wusste bis dahin nicht einmal, dass es ein Schönheitsideal für - unbehaarte, nehme ich an - Vulvas gibt! Und wie das aussieht! Zum Glück habe ich auch schon einen alten Mann über 30, der mich und meine Vulva auch haarig und zu-groß-klein-dick-dünn-was-weiß-ich ertragen kann!

An so was, glaube ich, merkt man langsam, dass man einer anderen Generation angehört. Und in dem Fall denke ich - zum Glück...

6 Kommentare:

caroona hat gesagt…

Aaaaaaaahhhh Konventionen... Auch so ein dringendes Thema bei mir zur Zeit. Ich habe mich nur bisher nicht dazu durchringen können, darüber zu bloggen, weil ich bei klein mal wieder was Erfreuliches zum Besten geben wollte. Aber an der Schule bin ich den verbalen Absonderungen der Teenies täglich ausgesetzt. Unglaublich, echt.

Es soll sich ja jeder und jede rasieren, so extrem er/sie das wünschen, aber ich muss mich auch nicht dauernd rechtfertigen, wenn ich irgendwas nicht mitmache, was alle machen. Den Ansatz, dass Intimrasur automatisch Verkindlichung sein soll, finde ich persönlich etwas überzogen. Als treue Emma-Abonnentin bin ich auch dann und wann mal nicht mit denen einer Meinung.

Der mit der Wurst war einfach schön :o)

Ich mach schon mal mental die Tippfinger warm...

wirrlicht hat gesagt…

ohne jetzt auf viel gesagtes einzugehen:

"unten haarfrei" gibts schon ewig:


LYSISTRATE:

Ei, Boioterin,
Schön ist dein Unterland!

KALONIKE:

O freilich, ja,
Und säuberlich gejätet und gerupft!

zum andern: hey, nun hast/bist du ein fetisch :)

(ob inzwischen alles, was nicht "konvetionell" ist, fetisch wird?)

ok, scherz beiseite.

ich finde sowas absurd - in etwa so, als wäre es pflicht, sich eine glatze zu schneiden, und wehe, man hat dann keine schöne kopfhaut. sowas muss dann "korrigiert" werden. das ganze endet dann bei michael jackson oder cher, die für mich völlige 'kunstmenschen' sind/waren, und ungefähr so sexy wie schaufensterpuppen.

Feronia hat gesagt…

Dieser besondere Angelsachse ist nicht beleidigt!

Anonym hat gesagt…

Diese Operationsgeschichte finde ich noch krasser als das Rasieren. Das mag ja jede/r halten, wie er/sie mag, das wächst auch alles nach. Aber wegen zu kleiner/zu großer/häßlicher Schamlippen sich unter´s Messer legen... Jede OP ist nun mal gefährlich. Ich verstehe das nicht, aber da gehöre ich auch einer anderen Generation an.

LG
Selket

Anonym hat gesagt…

Hammer, bis gestern dachte ich das ich zum Rasierer greife weil ich Lust drauf habe, weil ich etwas für mich und mein Körpergefühl tue.
Aber weit gefehlt. Selbst Intimrasur ist ein Politikum wie es scheint *kopfschüttel*
Aber ganz ehrlich, ich wäre nicht im Traum auf den Gedanken gekommen das ich gegen meine feministischen Ideale verstoße wenn ich mich hin und wieder , aus Freude an der Lust, rasiere *lach*.
Mein Glück ist da wohl die späte Geburt (nach den 80igern) und zum Glück bin ich doch alt und vor allem Frau genug um mir mein Körpergefühl nicht von der derzeitigen Jugendkultur vorschreiben zu lassen. - Oder von meiner Fraunenärztin, die mir regelmäßig erzählt das man den kleinen Riss den ich seit der Geburt meiner Tochter habe, doch auch operativ entfernen könne, so das es nicht mehr stört.
Wenn ich ihr dann versuche zu erklären, das er nicht stört, weil es einfach ein Zeichen ist was das Leben auf meinem Körper hinterlassen hat. Zudem ein Zeichen das mich an eine wunderschöne Geburt erinnert, dann schüttelt sie nur den Kopf.
Irgendwie traurig, der Gedanke das nun auch die Vulva nicht mehr Vulva sein darf, sondern die Ärzte auch hier das Messer schwingen und alles nach einem einheitlichen Schönheitsideal richten. Traurig :-( !!!

der Gauzibauz hat gesagt…

Grüss Gott Bodeca,

das Bild ist wunderschön!
Mittlerweile denke ich mit Wehmut an meine volle Bärin. Jetzt, nach den Wechseljahren ist meine Behaarung eher spärlich und ich kann im Grunde nicht verstehen warum junge Menschen diesem Beweis prallen Lebens mit dem Rasierer zu Leibe rücken.
Z.B. finde ich das Fleisch von Madonna abtörnend. Wusste lange nicht, dass das von der totalen Enthaarung kommt. Ich steh auf "Pfirsichhaut" auch im Gesicht, alles andere ist irgendwie künstlich, jedenfalls für mich.
Dein Beitrag ist richtig gut!
Endlich sagt eine mal was.

Liebe Grüsse//Erika