Man kann nicht zwei Mal in den gleichen Fluss steigen, meint Heraklit.
Man kann nicht zwei mal den gleichen Wanderweg entlanglaufen, meine ich mit gewisser Berechtigung behaupten zu können. Weil wir uns verändern, ja - aber auch der Weg verändert sich.
Gestern bin ich, gewiss zum hundertsten Mal, einen Weg an einer Felsformation vorbei gelaufen, die schon seit vielen Jahrhunderten als Gemarkungsmarkierung dient und vielleicht auch mal eine Kultstätte war. Ich bin hier schon zu jeder Jahreszeit entlanggewandert, durch Schnee oder bunte Blätter geschlurft, meistens alleine, manchmal mit anderen zusammen.
Irgendwann vor ein paar Jahren wurde der Weg, der zusehends verschlammte, für Reiter gesperrt. Dann wurde die Wandermarkierung, die hier vorbei, einen immer steiler werdenden Weg bergab und zum nächsten Wanderparkplatz führte, kurz hinter der Felsformation auf einen breiteren Hauptweg umgeleitet. Trotzdem benutzen ich und, wie die Spuren bewiesen, zahlreiche lebensmüde Mountainbiker den alten Weg weiter.
Der Weg stößt kurz auf einen anderen breiteren Pfad, geht einige Schritte mit ihm längs und zweigt dann, im Gebüsch manchmal schwer erkennbar, wieder ab. Im Sommer, als ich hier mit meiner besten Freundin vorbeilief, waren wir so ins Gespräch vertieft, dass wir die Abzweigung zum zweiten, steileren Teil des Weges übersahen. Wir mussten umkehren und ihn suchen.
Gestern ging ich dort entlang und sah, dass sich ein neuer Weg quer über diesen alten, langsam vergessenen Pfad, der in den letzten Jahren schmaler, fast ein Wildwechsel geworden war, gefressen hatte. Offenbar ein Forstweg, Reifenspuren mit tiefem Profil führten darüber hinweg. Mich wunderte, wie zugewachsen diese Spuren schon wieder waren; es war doch gar nicht lange her, dass ich hier das letzte Mal lang ging, und da war davon noch nichts zu sehen gewesen.
Irritiert war ich mir nicht mehr sicher, wo der alte Weg weiterführte, folgte ihm zwar, dachte aber viele Schritte lang, ich sei auf einem anderen Weg gelandet, erkannte ihn dann wieder. Diese Aussicht - gab es die vorher schon? Diese Felsen - gehören die hier her? Er erschien mir tiefer, ausgewaschener als früher an manchen Stellen. Mein Wildehemann lachte über mich - er, obwohl er hier noch nicht so oft war, erkannte alles wieder.
Viele Äste und Bäume lagen quer über dem Weg. Welcher Sturm hatte sie hier her geworfen? Wann? Ohne dass ich es ahnte, hat sich in wenigen Monaten der Weg völlig verändert, ist mir fremd geworden.
Alte Wege, breite Wege, Wege für viele, Wege für wenige, schwierige Wege, Wege mit hilfreichen Markierung, Wege ohne - und Wege, die sich wandeln. Grenzsteine, die sagen - ab hier wird etwas anders.
Genug Stoff für ein paar tiefschürfende Gedanken über das Leben, das Universum und den ganzen Rest.
Man kann nicht zwei Mal den gleichen Weg entlanggehen.
Eine kostenlose Erkenntnis, gestiftet von Odins Wäldern.
1 Kommentar:
....es ist eben immer alles in Veränderung. Nichts bleibt, wie es war.
Liebe Grüße
Grye Owl
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