27 Juni 2006

Gebo


Gebo

Geben, Gaben, Geschenk, beten, bitten...

Mit der Rune Gebo und dem zugehörigen Baum, der Ulme, habe ich mich eine Weile herumgeplagt.

Zum einen erschien mit Gebo als nicht so interessant – Geben und Geschenke im gegenseitigen Austausch. Und die Gaben, die man in sich trägt. Und sonst?

Das galt es, herauszufinden.

Zu Gebo als Buchstabe/ Silbe „Ger“ selbst habe ich einen engen formalen Bezug, da sich mein Nachname davon ableitet; so auch der Vorname meines verstorbenen Vaters. Doch Familie ist für mich, seit ich 16 bin, trotz ganz guter Beziehungen immer hinter Partnerschaften und Freundschaften sekundär gewesen.

Die Ulme wiederum ist ein interessanter Baum, aber war für mich schwer aufzufinden. Dabei ist die positive Symbolik sehr eindrücklich – die Ulme (auch „Rüster“) ist wahrscheinlich die „Embla“ aus der Edda, aus der die ersten Menschen bzw. die erste Frau entstand. Auch in christlichen Sagen ist die Ulme oft verbreitet; es gibt einige Luther- oder Bonifatiusulmen. Einige Sagen warnen davor, Ulmen zu beschädigen; ihr Same soll bei der Sintflut angeschwemmt worden sein. In vielen Gegenden gilt die Ulme für antidämonisch, und sie soll vor Behexung schützen. Man kann auch angeblich Krankheiten auf sie übertragen.

Doch in der Realität entzog sich mir dieser Baum völlig. Ich machte zwei längere Spaziergänge, ohne bewusst eine Ulme entdeckt zu haben. Doch ich dachte dabei über Gebo nach. Da ich glaube, dass der Aspekt materieller Reichtum, wie ihn Fehu symbolisiert, bei Gebo nicht so wichtig ist. Es geht eher um andere Arten von Gaben, die man erhält – Freundschaft, Liebe und Hilfe von seinen Mitmenschen, aber auch die Gaben, die man in sich trägt, und die einem – von den Göttern?! – geschenkt wurden. Dabei muss es immer einen Austausch, ein Gleichgewicht geben; die alten Götter erwarten Gebete, Opfer und Beachtung. Wie sieht man das jedoch als moderner Heide? Nun, auch hier verlangt das Spirituelle, das einem so große Geschenke der Einsicht und Lebensfreude machen kann, ein Gegengeschenk – intensive Beschäftigung mit der Thematik, das Loslassen und Weggeben von dem einen oder anderen überholten Denkschemata.

Besonders wichtig ist der Fluss der (nichtmateriellen) Gaben jedoch für mich in menschlichen Beziehungen. Wie praktisch, dachte ich also nach der ersten vergeblichen Suche, dass eine der wichtigsten Menschen in meinem Leben, meine langjährigste Freundin, in einer Ulmenstraße wohnt – und dazu noch bald zu Besuch kommt! Ich bat sie also um ein Geschenk – sie möge mir doch, so möglich, ein fingerdickes Stöckchen mitbringen.

Zufrieden mit meiner leichten Bewältigung von Gebo wartete ich darauf. Doch als ich die mitgebrachten Ästchen sah, war ich doch leise enttäuscht. Meine Freundin konnte mir nur ein paar sehr dürre Zweiglein mitbringen, die sie nach langer Suche gefunden hatte, die jedoch für eine geschnitzte Rune ungeeignet waren.

Man kann immer um Gaben bitte, aber das heißt noch lange nicht, dass der, bei dem man bittet, sie einem geben kann! Und oft muss man auf eine Gabe warten, dass sie zu einem kommt, ohne dass man darum bittet.

Und so ging ich gestern mit Heph spazieren, um ein paar Besorgungen zu machen und noch mal nach Ulmen Ausschau zu halten. Ohne wirklich suchen zu müssen, faden wir einige junge Bäume, und während ich darunter noch nach einem geeigneten Ast suchte, drückte mir Heph auch schon einen in die Hand.

Manchmal muss man auf die richtige Person warten, die einem etwas geben kann. Oder auf den richtigen Ort, die richtige Zeit. Geschenk erbitten oder auf Gaben hoffen ist sinnlos, suchen hat keinen Erfolg ohne die richtigen Umstände.

Man sollte nie enttäuscht sein, wenn man das nicht bekommen oder geben kann, was man sich wünscht, oder was andere verlangen. Die Erfahrung hat für mich einen bitteren Beigeschmack – ist es doch so, dass ich oft das Gefühl habe, Menschen wünschen sich von mir Dinge, die ich nicht geben kann – Ausgeglichenheit, Enkelkinderchen, totales Verständnis – während ich mir oft vergeblich Dinge wünsche, die sie nicht geben können, wie meines Erachtens nach angemessenen Freude über meine Erfolge, Verständnis, Einfühlung...

Und dennoch bin ich in der Beziehung schon ganz schön viel weiter als vor 5, 10 oder 15 Jahren!

Gebt einander. Gebet einander. Gebet. Betet ?!

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