10 März 2006

Türme

Da wir bei dem 13-Monde-Projekt gerade die Tarotkarte Turm bearbeiten, möchte ich ein paar Gedanken und Assoziationen zu diesem Mondthema hier hineinstellen – als Ergänzung zu der Arbeit zu MEINEM Turm, die noch im Tempel entstehen wird.

Ich habe daher mit Filzstift und Papier einfach ein bisschen vor mich hin assoziiert, um einen Zugang zu der Turmkarte zu finden. Mein erster Gedanke dazu ist ein von positiven Assoziationen freies „Bumm, kaputt, alles scheiße, Mist, Trümmerfrau“. Das ist mir dann aber doch ein bisschen wenig als spirituelle Quintessenz.

Daher denke ich darüber nach, für was den der Turm gemeinhin steht. Es bricht ja auf der Karte eben nicht irgendwas zusammen, sondern ein Turm - zumindest in den gängigen Decks und der deutschen Übersetzung. Im Englischen heißt die Karte „Tower“, was neben einem Turm auch eine Festung ist, man denke an den Tower in London. Wie der Name in alten Decks war, kann ich nicht sagen, aber ich denke, es geht auch da um den Turm – vor allem um den von Babylon, aber dazu später mehr.

Also – welche Türme gibt es? Und was bedeutet ihr Zusammenbruch?


Turm 1 – das Gefängnis

Einer der ersten Gedanken zum Turm war bei mir der des Gefängnisses. Dies kam daher, dass wir hier im Ort einen Hexenturm haben, von dem es heißt, dort seien früher Hexen vor einem Prozess festgehalten und sogar durch höher liegende Lucken hinein- und hinausbefördert worden, damit sie nicht den Boden berührten. Man glaubte, damit könne eine Hexe jederzeit ihre Kraft auftanken.

Zum Glück gehören diese Geschichten in das Reich der Legende – eine Nutzung dieses Turms als Hexengefängnis ist nicht belegt, und wahrscheinlich fanden hier nicht einmal Prozesse statt. Dennoch finde ich die Bedeutung spannend – dieser Turm diente dazu, einen selbst von seinen Kräften abzuschneiden, sich oder Teile von sich, die „kriminell“ sind, böse, zauberisch, wegzusperren und ihnen den Kontakt mit der lebendigen Erde zu verwehren, auf der man wieder handeln und Macht bekommen kann. Mörder sitzen neben Zauberkundigen zusammen im Turm – gerichtet werden sie alle.

Ähnliches gilt neben Gefängnistürmen auch für alle, in die anderer unliebsame Gruppen „weggesperrt“ wurden – Türme, in die die „Irren“ kamen, Pesttürme, Armentürme.

Auch Rapunzel habe ich mit in diesen Turm gesteckt – doch sie kann entfliehen, da ihr das Zeichen von Macht und Stärke (denkt an Samson) nicht genommen wurde und sie so ihr sexuelles Wesen befreien und ausleben kann.

Bricht ein solcher Turm zusammen, sind die gut verschlossen gemeinten Hexen, Huren und Mörder wieder in unserer Seele unterwegs und schwingen Kalis Säbel. Und der alte Freud denkt sich seinen Teil.


Turm 2 – der Zaubererturm

Hierbei dachte ich vor allem an Sarumans Turm im Herrn der Ringe, auch an Sauron, aber auch sonst leben ja (böse) Magier in Romanen sehr gerne in Türmen. Wieso? Weil ein Turm Macht symbolisiert, Macht, die einen erhebt über die anderen. Macht, die einen selbst mehr Überblick beschert als dem Pöbel zu seinen Füßen. Macht als ein phallisches Symbol – seht her, was bin ich so groß, so stark! Meiner ist länger!

Doch erinnern wir uns – der Zauberer Gandalf, bescheiden in grau und niemals in Besitz irgendwelcher Türme, ja, nicht mal einer modrigen Hobbithöhle, der Wanderer und Zuhörer und Pfeifenraucher – er siegte gegen den arroganten Zauberer, und kleine, machtlose Hobbits vernichteten ihn später endgültig.

Dieser zauberhafte Turm macht viel Lärm, bricht er zusammen; und die Gestalt, die aus ihren Trümmern kriecht, ist nur noch ein erbärmliches Geschöpft ohne die erhöhte Position. Stürzt ein Politiker oder Manager oder auch nur Familientyrann, kann man oft einen ähnlichen Effekt beobachten.


Turm 3 - der Elfenbeinturm

Hier oben wohnt die bleiche kindliche Kaiserin aus der unendlichen Geschichte. Ich konnte ihr als Kind, vor allem im Film, keinerlei Sympathie abgewinnen. Sie musste geschützt und beschützt werden, und offenbar war etwas, das härter war als ein Thron aus Blütenblättern, zu rau für ihren zarten Hintern (aber wir erinnern uns – sie konnte diesen Turm verlassen. Immerhin, wenn auch nur aus größter Not).

Hier oben wohnen aber auch viele Menschen – Wissenschaftler, Poeten, abgehobene Esoteriker, Menschen in einem weichen, sanften, harmlosen Wahn. Ihre Türme reichen bis hoch in die Wolken, hier ist alles dem Himmel näher und sanft in Nebel gehüllt. Luftmenschen.

Bricht dieser Turm zusammen, findet man sich plötzlich in einer Welt wieder, die nicht pastellfarben und erhaben ist, sondern voller Dreck, Schmutz und Gefahren, mit einem Wort – lebendig.


Turm 4 – die Impotenz (und Hässlichkeit)

Als olle Emanze kommt man daran wohl nicht vorbei, einen Turm zumindest auch mit dem Phallus zu identifizieren. Und was ist die größte Angst aller Männer? Richtig, dass dieser Turm seine Macht und Stärke einbüßt. Alleine schon die Tatsache, der Turm könnte kleiner, schiefer, unansehnlicher sein als der anderer, treibt manchen Mann in den Wahnsinn. Denn leider sehen manche in ihm nicht das, was er ist – ein liebevoller Vergnügungsturm, dafür da, sich und anderen Freude zu bereiten und damit zu feiern. Er wird statt dessen zu einem Symbol einer Macht, die man nicht selbst innehat, sondern der man fast ebenso hilflos ausgesetzt ist wie andere – dieser Turm macht oft, was er will.

Aber tun wir nicht so, als sei das ein Männerproblem. Wie sehr bibbern doch wir Frauen auch davor, das eines Tages unserer Türme des Begehrens und vor allem des Begehrtwerdens zusammenstürzen! Wenn auch nicht so eindrucksvoll symbolisch an den Geschlechtsorganen abzulesen, bemerken wir doch ängstlich jedes Anzeichen dafür, dass der eitle Turm der Macht durch Schönheit zusammenbricht – hier ein Speckröllchen, da eine grauen Strähne, dort ein paar Krähenfüße. Manche Frauen beschäftigen sich ihr Lebend lang damit, gegen das Bröckeln dieses Turmes anzukämpfen, statt einfach zu leben, fern aller Mauern.

Und auch so mancher Hobbysportler baut all seine Eigen-Macht auf schnelle Beine, starke Arme, vergängliches Fleisch.

Stürzt der Turm zusammen, gerät man in hoffnungslose und hilflose Zweifel, wie man seinen Wert ohne dieses Symbol weiter beweisen kann.


Turm 5 – der Turm zu Babel

Das ist wohl auch die eigentliche Vorlage für die Turmkarte – ein Turm, der die Eitelkeit der Menschen aus biblischer Sicht darstellt. Hoch zu Gott wollten sie ihren Turm bauen, und als Strafe folgten Einsturz und Verwirrung der Sprachen.

Dies ist nicht schwer zu deuten – wenn wir uns selbst und unserer Eitelkeit himmelhohe Denkmäler setzen, ist ein Zusammenbruch vorprogrammiert, und dann merken wir entsetzt, dass uns keiner mehr versteht.


Turm 6 – Kriegstürme, Verteidigungstürme

Eine der Waffen, die Belagerungen entschieden, waren Türme. Türme dienten in Burgen der Verteidigung; in sie konnte man, leicht zu verteidigen, die Burgbevölkerung zurückziehen, von dort aus konnte man die Feinde früh sehen und bekämpfen. Die Belagerungstürme dagegen konnten an die Burg- oder Stadtmauern herangefahren werden und diese dadurch leicht überwinden, wurden sie nicht zuvor in Brand geschossen.

Brechen diese Türme zusammen, ist es um unserer Verteidigung oder über unserer Angriffslust geschehen. Wir können keine Kriege mehr führen, oder besser - wir können sie nicht gewinnen.


Turm 7 – der Dekoturm

Der letzte klassische Turm, der mir einfällt, ist der dekorative Turm, der, bereits als Ruine konzipiert, gerne in einen Landschaftsgarten der Romantik eingefügt wurde. Der Zerfall wird hier als etwas undramatisch-wehmütiges betrachtet, als Erinnerung an bessere Zeiten, als die Türme noch standen und von Rittern und Burgfräuleins besiedelt waren. Diese Türe sind nicht viel mehr als Grabmale der Vergangenheit, die man nicht ganz loslassen will.


Und noch mehr Türme

Natürlich könnte man noch viele Arten der Türme einfügen – vor allem die moderneren Varianten habe ich hier ausgelassen wie Fernsehtürme, Radiomasten, Handymasten, Hochspannungsmasten, Hochhäuser – die ja auch irgendwie Türme sind, Wahrzeichen unserer modernen, aufgeschossenen, ununterbrochen kommunizierenden und konsumierenden Welt. Dazu kommen berühmte Türme, die den nationalen oder lokalen Stolz symbolisieren, wie der Eiffelturm oder auch ein Wasserturm, wie der, der die Stadt Mannheim symbolisiert. Wasser –Turm – Mann – Heim. Ach, da tun sich schon wieder weite Interpretationsspielräume auf!

Aber genug.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hi Bodecea,

ich finde Deine Assoziationen und Interpretationen immer richtig klasse. Lese auch mit Genuß Deine Runenerkundungen.
So, das wollte ich jetzt mal losweden ;-)

Gruß
Aruna

Anonym hat gesagt…

Hi Bodecea, schöne vielfältige Assozistionen, ich druck mir das mal aus und denk weiter drüber nach. mir fällt da noch der Aussichtsturm ein. Wenn Aussichtstürme einstürzen, dann stürzt vielleicht auch die illusion ein, dass man alles überblicken kann.
Ein einstürzender Turm - komm runter auf den Boden , zurück zu den Tatsachen.
liebe Grüße, FeuerSchwester

Bodecea hat gesagt…

@Aruna - Danke!

@FeuerSchwester - ja, das stimmt, der Aussichtstturm (& Kontrollturm, denken wir an die Wachpostentürme damals an der Mauer...) wäre auch noch eine passende Variante. Ich habe die Kontrolle! Ich sehe alles!

Bodecea