31 Oktober 2005

Ing

Ing

Ingwaz bzw. Ing, wie ich die Rune hier im Text bezeichne (über eine linguistische Kohärenz zwischen den verschiedenen Bezeichnungen mache ich mir, ehrlich gesagt, fast keine Gedanken), hat sich mir nur zögerlich, dann aber sehr tief erschlossen.

Auch bei dieser Rune habe ich, wie bei Uruz, auf die Hilfe meiner magisch begabten Freunde vertraut. Diesmal hat mir Brujita, unsere Hexe aus dem fernen Teneriffa, dabei geholfen, und wir haben uns gegenseitig Ing per Orakel näher gebracht. Ich habe dabei viel über Ing gelernt, ein bisschen was über Brujita und auch etwas über mich...

Ing, soweit zu dem Formalen, ist eine Rune, die ein männliche und passive Form der Fruchtbarkeit verkörpert. Sie wird mit dem germanischen Gott Ing assoziiert und betrifft vor allem die Sphäre Familie, Fortpflanzung, Sexualität und andere (herd-)feurige Dinge.

Vielleicht fiel mir der Zugang daher recht schwer, denn wie auch das Orakel zeigte, ist für mich die Ebene des Feuerelementes ziemlich fern; ich bin ein Mensch, der stark (im Horoskop wie auch vom Charakter) von Wasser und Luft geprägt ist, im jiddischen würde man vielleicht sogar sagen, ein „Luftmentsh“ – ohne Ziel und Richtung und Bodenhaftung.

Für mich selbst, das ergab auch das Kartenlegen von Brujita, ist es in den letzten Jahren vor allem die spirituelle und emotionale Seite, die wächst, während in meinen frühen Zwanzigern das Mitgefühl empathisch, aber unkontrolliert zu anderen floss und mich fast in den Wahnsinn trieb.

Gerade deshalb, so habe ich erkannt, ist aber Ing so wichtig für mich. Zum einen ist Ing die Quelle der Energie, die Lebenskraft - in einem selbst habe ich dies mit der Kundalinienergie oder dem Chi gleichgesetzt. Zugleich ist Ing ein Schutz, ein abgegrenzter Raum. Dies betrifft zum einen äußerlich die sichere Ebene, in der man Energie schöpft und anwendet, vor allem die Familie, im Inneren die Bahnen und Chakren, deren gleichmäßiges Funktionieren so wichtig sind, damit Körper und Seele sich wohl fühlen. Fehlt diese Energie, ist man antriebslos und leer; ist sie unausgeglichen oder zu stark, ist man hysterisch oder – eben unausgeglichen. Ist sie gezähmt in den Kanälen, in die sie gehört, kann sie relativ gefahrlos und verlässlich genutzt werden. Dazu gehört für mich eben auch, dass - wenn man die Rune vor Augen hat – oben und unten ausgeglichen ist, ebenso wie die vier Elemente und Eigenschaften des Menschen, symbolisiert durch die Farben im Tarot. Ich hatte die Überlegung von Ing als einem Punkt, der expandiert und damit zur Raute wird – aber nur, wenn alle vier Elemente sich gleichmäßig ausdehnen und wachsen. Die Energie an sich ist neutral, so wie der Apfel, dessen Baum dieser Rune zugeordnet ist, ein Symbol der Göttin sein kann, aber auch für die Versuchung im Paradies steht.

Als ich heute an Samhain losging, mich unter einen Apfelbaum setzte – immer noch haben wir herrliche goldenen Oktobertage voller Sonne - und nachdachte, empfand ich die relativ kurzlebigen, aber sanften und nützlichen Apfelbäume um mich herum als eine tröstliche Art des Schutzes, eine Chance, mich zu sammeln und Kraft zu tanken. Denn eine verborgene Ebene hat mit dem Symbol des Apfels als Frucht vom Baum der Erkenntnis zu tun. Man beachte auch die Schlange, die Eva zur Erkenntnisverleitet – Kundalini ist die Schlangenkraft. Kraft heißt bei eiern Frau auch immer Lilithkraft, dunkle Kraft, Kraft der Neumondin udnd er Menstruation. Sie ist sehr viel näher am Teufel, mit dem ich mich gerade im Tarot intensiv beschäftige, anzusiedeln. Kraft in diese Tiefen der Seele hineinzulenken kann manchmal sehr schmerzlich sein, auch das habe ich immer wieder spüren müssen. Wie gut, dass man aus Äpfeln auch wärmende Dinge wie Apfelwein (jo, isch bin in Hesse aufgewachse) und Apfelbrand machen kann, die dem Erkenntnis freilegenden Schwert, das in der Seele stochert, die Schärfe nimmt. Ing als Apfelbrand – eigentlich passend, oder?

So sanft und freundlich kann selbst das Feuer von Ing nicht sein, dass man sich daran nicht die Finger verbrennen kann. Und auch, wenn die Energie von Ing genau so fließt, wie sie soll, und Glück und Harmonie einkehren, stellt sich schnell die Frage – und was jetzt?

3 Kommentare:

Bodecea hat gesagt…

Nachtrag - igitt, der Ast, den ich mitnahm, war voller Maden und Würmer... Aamhain hält manchmal ein paar derbe Späßle bereit. Heute suche ich einen anderen Ast.
Bodecea

Bodecea hat gesagt…

Habe einen anderen Ast von einem Baum genommen, an dem ich als Kind gerne gespielt habe...

Anonym hat gesagt…

Mal wieder ein sehr cooler Runenerfahrungsbericht - wozu braucht es da noch Runenbücher...
hab vielen Dank :-)
LG BärenSchwester