Mannaz – Weinstock – Menschliches, Allzumenschliches
“Where is the wine
The New Wine
dying on the vine”
(Jim Morrison)
„Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten.“ (Rousseau)
Wieder ein Jahr voller Sorge, Hoffung, und unerfüllter Träume; schon wieder ein Jahr des Wartens, Tuns, Erlebens. Gerade in letzter Zeit frage ich mich oft, ob wir wirklich ohne Überspanntheit mehr sein können als das – leben, lieben, hoffen, nach Besitz und Liebe greifen, den Körper zwacken spüren, Sorgen, Freundschaft, Momente inniger Gemeinschaft... unser Leben besteht aus Millionen kleiner, unbedeutender Episoden, die einem erleuchteten, unsterblichen Wesen äußerst lächerlich vorkommen müssten, und manchmal kommen sie auch einer unerleuchteten, sterblichen Bodecea äußerst lächerlich vor. Von Geld und Besitz als Lebensinhalt kann ich (Dank Gewöhnung...) halbwegs abstrahieren; aber ein Leben ohne jegliche Beziehungen in Liebe, Freundschaft, ja, im alltäglichen kleinen Geschäft, der nichtige Plausch hier, das Geplapper dort - das ist mir eine schlimme Vorstellung, so sehr mich meine Mitmenschen (besonders ganz bestimmte oder zu viele auf einmal) belästigen und stören können.
Doch ich bin kein Einsiedler. Und auch ein Einsiedler könnte nicht sein ohne eine Gemeinschaft, die ihn hervor gebracht hat – Familien, Religionen, Handwerker, Philosophen... jeder Schritt, jeder Biss in ein Stück Nahrung, jeder Gedanke ist mit unendlich vielen Menschen verbunden. Alleine – was könnten wir da sein? Ohne Mitmenschen, ohne deren Ideen in Büchern, Medien, Liedern, Kunst? Menschen, die so isoliert lebten, verlören sicher schnell ihre Menschlichkeit, würden wieder zu Tieren, instinkthaft und unbewusst. Wir sind Mensch nur als Teil der Menschheit, so wie der Weinstock nur Teil des Weinberges ist und sich, allein gestellt, egoistisch-abwürgend über andere Pflanzen hermachen würde – oder untergehen.
„Ein Schritt weiter in der Genesung: und der freie Geist nähert sich wieder dem Leben, langsam freilich, fast widerspänstig, fast mißtrauisch. Es wird wieder wärmer um ihn, gelber gleichsam; Gefühl und Mitgefühl bekommen Tiefe, Tauwinde aller Art gehen über ihn weg. Fast ist ihm zumute, als ob ihn jetzt erst die Augen für das Nahe aufgingen.“ (Nietzsche)
Und darum sollte man, gerade wenn sich der Schleier der alltäglichen niederzwingenden Weltlichkeit etwas lüftet, und dies geschieht gut und leicht in sonnigern Frühherbsttagen, nicht etwa in Arroganz und Weltabgewandtheit über die Kleinlichkeiten der Menschen spotten. Ohne diese Kleinlichkeiten des menschlichen, allzumenschlichen Miteinanders sind wir leer, eine leuchtende Hülle, ein Sonnenstrahl, der nichts erhellt, und wenn wir uns von einigen Problemen befreien können, die uns gefangen halten, sollten wir die freie Hand nutzen, zu helfen oder, so dies nicht möglich ist, Mitgefühl ausdrücken – Mitleid, Mitgefühl für uns alle im Rad dieses menschlichen, allzumenschlichen Schicksals, Mitleid für andere, Mitleid und Trost für uns selbst.
Siehe auch Laguz und Mannaz:
http://bodecea.blogspot.com/2005/08/laguz-und-mannaz-weide-und-wein.html
1 Kommentar:
Cool! Danke! :-)
Liieepe Grüße, BärenSchwester
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